12.05.2022
Fernwärme und Fernkälte in Baden
Die derzeitige Ausbauetappe des Verbunds gilt als Kernstück auf dem Weg zu einer CO2-freien Wärme- und Kälteversorgung der Stadt Baden. Der Vollbetrieb ist etwa in zehn Jahren geplant. Erfahren Sie, wie ein Wärmeverbund funktioniert, wo Sie in Baden bereits klimafreundliche Wärme und Kälte beziehen können und was die nächsten Ausbauschritte sind. Und: Selbst wenn Ihr Quartier noch nicht erschlossen ist, gibt es für Sie bei einem anstehenden Heizungsersatz nachhaltige Alternativen. Unsere Energie-Profis beraten Sie gerne.
Zur Fernwärme/Kälte
Herr Pfister, Sie sind Fachspezialist Grundwasser für das Projekt Wärmeverbund Baden Nord. Welche Planungsarbeiten stecken hinter dem Projekt?
Wir haben ab 2018 umfangreiche hydrogeologische Untersuchungen in Baden durchgeführt: Probebohrungen, Kurz- und Langzeitpumpversuche, Entnahme von Grundwasserproben zur chemischen Analyse der Wasserqualität. Zudem haben wir mit einem digitalen Grundwassermodell den Betrieb der geplanten Anlage simuliert, um herauszufinden, wie sich das Wasser im Untergrund bewegt. Wo fliesst es durch? Wie sind die natürlichen Temperaturen? Was passiert, wenn das abgekühlte oder erwärmte Wasser in den Grund zurückgelangt? Wirkt sich die Temperaturveränderung auf private Wärmepumpennutzer oder gar auf die öffentliche Wasserversorgung anderer Gemeinden aus? Wir haben also verschiedene Szenarien durchgerechnet und so das hydrogeologische Nutzungspotenzial eruiert.
Wie genau lassen sich solche Modelle erstellen?
Die Basis zu unserem Modell bildete unsere Datenbank zum Badener Untergrund sowie weitere Angaben und Auswertungen aus der Region wie beispielsweise Bohrungen und andere Untersuchungen. Gleichzeitig muss man bei der Planung solcher Projekte auch immer wieder von Annahmen ausgehen – man kann also nicht alle Eventualitäten voraussehen oder gar ausschliessen. Das macht das Ganze äusserst anspruchsvoll und bedingt eine strategische Planung, damit Betriebsrisiken möglichst klein gehalten werden können.
Die Planung ist das eine, der Bau das andere. Wie entsteht ein Grundwasserbrunnen?
Um den Brunnen in der Kronengasse mit einem Meter Innendurchmesser zu erstellen, braucht es eine Bohrung mit anderthalb Meter Durchmesser. Dazu werden dickwandige Stahlrohre im Bohrloch dreissig Meter tief versenkt, um es zu stabilisieren. In dieses Stahlrohr wird anschliessend das Brunnenrohr abgesenkt. Der Raum zur Bohrlochwand wird mit Kies gefüllt und das äussere Bohrrohr wieder gezogen. Das Brunnenrohr ist im unteren Bereich geschlitzt und funktioniert wie ein Filter – Kies und Sand bleiben draussen, das Grundwasser gelangt dagegen in den Brunnenfilter. Von dort wird es in die Energiezentrale Baden Nord gepumpt, wo ihm die Wärme- oder Kälteenergie zum Heizen oder Kühlen des Verbunds entzogen wird. Am Boveriplatz, wo die RWB bereits zwei Grundwasserbrunnen erstellt hat, gelangt das Wasser zuletzt wieder in den Untergrund. Sensoren übermitteln laufend den Betriebszustand des Systems an die Leitzentrale. Diese steuert aufgrund der Infos bedarfsweise die zahlreichen Pumpen, Ventile, Kältemaschinen, Wärmepumpen und Speicher.
Was sind die Herausforderungen beim Bau?
Im Fall des Brunnens an der Kronengasse gibt es mehrere Knacknüsse. Zum Beispiel die engen Platzverhältnisse und das schwere Gerät, das es braucht, um einen grosskalibrigen Grundwasserbrunnen zu bohren. Noch ist nicht im Detail klar, wie man mit der notwendigen Maschine in die Altstadt reinkommt. Solche Maschinen haben ein Gewicht von bis zu 100 Tonnen. Das Bohrgerät bis in die Kronengasse zu bringen, ist also ein herausforderndes Unterfangen, zumal die Pflastersteine, die Leitungen im Boden und natürlich die Altstadthäuser nicht beschädigt werden dürfen.
Gibt es eine Alternative zum geplanten Vorhaben?
Es gibt auch Überlegungen, um statt einen zwei Grundwasserbrunnen mit geringeren Dimensionen zu bauen, was allerdings nicht weniger kompliziert ist. Zwar ist das Bohrgerät dann kleiner, aber dafür ist der Beetli-Schmied-Platz an der Kronengasse für die Platzierung von zwei Brunnen sehr eng. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten für Grundwasserbrunnen im innerstädtischen Bereich von Baden Nord sehr eingeschränkt. Weitere Brunnen sind kaum noch zu realisieren. Zum Beispiel, weil bereits Tiefgaragen bestehen, das Gelände zu steil oder aus hydrogeologischen Gründen ungeeignet für die Grundwassernutzung ist.
Was ist nun der Stand des Projekts?
Sie können sich vorstellen, dass auch die Bewilligungsverfahren zur Umsetzung solcher Projekte vielschichtig und weit verästelt sind. Einerseits läuft derzeit das wasserrechtliche Nutzungsgesuch, andererseits erfordern Teilanlagen wie ein Brunnen oder der Leitungsbau separate Baugesuche. Wir konnten also nicht einfach ein Baugesuch für alles einreichen. Grundsätzlich existiert mit der Stadt Baden aber eine Rahmenabmachung, wie die Teilvorhaben eingereicht werden müssen. Zudem decken sich die Ziele der Bauherrschaft mit jener der städtischen Behörden: nämlich die Dekarbonisierung der Stadt voranzutreiben, so wie das im Energierichtplan vorgesehen ist.
Wann, denken Sie, starten die Bauarbeiten?
Der Starttermin ist noch unklar. Nach der öffentlichen Auflage werden wir uns mit möglichen Einsprachen befassen, diesbezügliche Abklärungen treffen und wenn nötig Anpassungen vornehmen. Danach folgt die Bauausschreibung, danach der Bau des Brunnens unter unserer Fachbauleitung. Gleichzeitig werden wir die RWB beim Aufbau eines Monitorings unterstützen, also ein Messstellennetz installieren. Damit wird der thermische Zustand des Grundwassers überwacht, um festzustellen, welchen Einfluss der Verbund aufs Grundwasser hat