08.06.2022  |  Quelle: Badener Tagblatt

4000 Franken statt 2450 Franken. So viel mehr zahlt die Familie Stäger dieses Jahr gegenüber dem Vorjahr, um ihr Einfamilienhaus im Wettinger Altenburgquartier mit Gas zu heizen. Dies besagt zumindest die Hochrechnung von Alex Stäger. Der gelernte Elektroinstallateur, der heute als Primarlehrer arbeitet, zeigt seine Berechnungen auf einer Excel-Tabelle am Laptop. So genau dokumentiert Stäger die Heizkosten erst seit Ausbruch des Ukraine-Krieges.

Alex Stäger zeigt die Heizung im Keller des Hauses.
Alex Stäger zeigt die Heizung im Keller des Hauses. Russisches Gas zu kaufen, war für ihn moralisch nicht mehr vertretbar. (Bild: Severin Bigler)
Familie Notter-Vogel steigt auf Biogas der Regionalwerke AG Baden um.
Valentine Vogel und Roger Notter haben ihre Heizung nachts auf 13 Grad runtergedreht. (Bild: Rahel Künzler)

Er wollte nämlich herausfinden, wie sich der Umstieg von Erdgas auf Biogas aufs  Familienbudget auswirkt. Das Resultat: Der Grossteil der eingangs erwähnten Mehrkosten ist auf die Teuerung zurückzuführen. Fast 370 Franken kostet es, von Putins Gas wegzukommen und stattdessen aus Bioabfällen hergestelltes Gas bei den Regionalwerken Baden zu beziehen.


Eher bei den Ferien sparen, als mit Erdgas zu heizen
Der Entscheid, auf Biogas umzusteigen, war dann schnell gefasst. Auch wenn Rebecca und Alex Stäger mit ihren drei Kindern im Vorschulalter derzeit nicht gross Geld zur Seite legen können. Alex Stäger sagt: «Einen solchen Krieg auch nur indirekt mitzufinanzieren, können  wir moralisch nicht vertreten.» Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine war lange Zeit das Thema am Znachttisch der Stägers. «Ich war schockiert. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass heutzutage ein Land auf diese Weise angegriffen wird – und dann noch in Europa», so Alex Stäger. Selbst wenn die Energiepreise weiter steigen, werde die Familie nicht wieder aufs billigere Erdgas umschwenken. Eher nähmen sie Abstriche bei den Ferien in Kauf.

Erhöhte Biogas-Nachfrage

Nebst der Familie Stäger aus Wettingen haben sich seit Ausbruch des Krieges 39 weitere Haushalte bei der Regionalwerke AG Baden gemeldet, um spätestens aufs nächste Wechseldatum am 1. Juli vollständig auf Biogas umzusteigen. Damit setzen bald 83 von 3 312 Haushalten
in der Region Baden auf die klimafreundlichere Gasvariante.

Zu den neusten Biogasbezügern gehören auch Valentine Vogel und Roger Notter aus Ennetbaden. Das Ehepaar wohnt mit dem jüngeren der beiden Söhne in einem Reiheneinfamilienhaus. Als der Krieg am 24. Februar ausbrach, hat die Familie als Erstes ihre Heizung von 21 Grad Celsius auf 18 Grad runtergedreht. Nachtsüber sogar auf 13 Grad. «Wir haben uns überlegt, wie wir den Preisaufschlag abfedern können», erklärt Valentine Vogel. «Der erste logische Schritt war, weniger zu konsumieren und auf den Luxus einer immer gleich warmen Wohnung zu verzichten.» Stattdessen haben die drei Ennetbadener einen Pulli mehr angezogen und abends den Schwedenofen im Wohnzimmer eingeheizt.
 

Bis vor dem Krieg kaum etwas über Biogas gewusst
Ende März fällte das Paar den Entscheid, auf Biogas umzusteigen. Valentine Vogel und Roger Notter haben die Mehrkosten grob überschlagen und kamen zum Schluss, dass sie durch den reduzierten Verbrauch nicht viel mehr zahlen als fürs Erdgas. Falls die Rechnung dennoch höher ausfalle, sei dies der Beitrag der Familie zum Frieden in der Ukraine, so Valentine Vogel. «Andere haben Flüchtlinge aufgenommen. Wir helfen mit, die Abhängigkeit von Russland zu verringern.» 


Nebst der Herkunft des Erdgases spielte der ökologische Aspekt für Valentine Vogel und Roger Notter mindestens eine gleich wichtige Rolle beim Umstieg. Während sie sich etwa beim Essen oder dem Plastikverbrauch bereits um einen klimafreundlichen Lebensstil bemühen, hatten sie sich zum Thema Heizen bisher noch wenig Gedanken gemacht. Der Krieg war für Roger Notter nur der Auslöser, sich über Alternativen zum Erdgas zu informieren.


Dass das lokale Energieunternehmen Biogas anbietet, hat er vorher nicht gewusst. Er hofft, dass viele weitere Haushalte auf die klimafreundlichere Variante umsteigen und dadurch bald mehr Biogasanlagen gebaut werden. Dem Anstieg der Öl- und Gaspreise kann Valentine Vogel darum auch etwas Positives abgewinnen.

Ich glaube, der Klimaschutz muss übers Portemonnaie gehen.

Valentine Vogel