22.11.2021 

Im Interview

Jonas Hurter, Ressortleiter Energieprojekte

Jonas Hurter, Ressortleiter Energieprojekte bei der Regionalwerke AG Baden, erklärt die aktuellen Ausbauschritte des angestrebten grossflächigen Energieverbunds.

Ein guter Plan: Die Energieverbünde der RWB

Sehen Sie auf der RWB-Planungskarte die bereits realisierten, die aktuellen und die geplanten Entwicklungsschritte für den Energieverbund in Baden. Falls Sie ebenfalls von der erneuerbaren Wärme- und Kälteversorgung profitieren möchten, beraten Sie unsere Energieprofis gerne.
 

RWB-Planungskarte

Alles rund um Fernwärme/Fernkälte

Herr Hurter, sind die Ausbauarbeiten für Fernwärme und Kälte in Baden auf Kurs?

Diese Frage ist eindeutig mit einem «Ja» zu beantworten. Wir sind nun seit etwa einem Jahre auf Hochtouren damit beschäftigt, die Netze zu bauen respektive auszubauen und die Bauprojekte der Energieerzeugungsanlagen abzuschliessen, um mit dem Bau zu beginnen. Der Planungs- und Umsetzungshorizont reicht bis ins Jahr 2050. Bei der Planung haben wir detailliert darauf geachtet, wie sich die Stadt in dieser Zeitspanne gebäudetechnisch entwickeln wird. Auch erwartete klimatische Veränderungen und entsprechende Auswirkungen auf die Energieversorgung wurden in die Planung miteinbezogen. Nicht zuletzt sind wir auf Kurs, weil der Verwaltungsrat der RWB die Ausbaustrategie nahe begleitet, dem Projektteam das volle Vertrauen gibt und nun die nötigen Kreditanträge bewilligt hat. Wir freuen uns nun, als erstes die Energiezentrale Baden Nord für die Wärmenutzung und auch für die Kältenutzung aufrüsten zu können.

Wie sieht die aktuelle Ausbauetappe konkret aus?

Einerseits bauen wir die Fernwärmesysteme weiter aus. Gleichzeitig kommt nun noch der Aufbau des Kälteverbunds mit der entsprechenden Zentrale dazu. Aktuell sind wir unter anderem dabei, die Leitungen für Wärme und Kälte zu verlegen. Und zwar von der Energiezentrale Baden Nord in Richtung Altstadt, konkret bis zur Kronengasse. Dort werden wir einen grossen Grundwasserbrunnen bauen, der das Wasser für den Verbund liefern wird.

Was ist genau die Funktion solcher Grundwasserbrunnen?

Das Wasser, das in den Leitungen zu grossen Grundwasserwärmepumpen fliesst, entnehmen wir dem Grundwasser. Am Ende eines Energiezyklus gelangt dieses Wasser wieder in den Boden zurück, damit sich der Kreislauf schliesst. Um einen Grundwasserbrunnen zu bauen, müssen also geologische und hydrologische Voraussetzungen erfüllt sein. Der geologische Aufbau im Untergrund muss in der Lage sein, Wasser abzugeben und Wasser wieder aufzunehmen. Um geeignete Orte zu definieren, haben wir drei Jahre lang Probebohrungen und Langzeitpumpversuche durchgeführt. So konnten wir beobachten, wie sich der Boden und das Grundwasser verhalten, wenn wir ihm für unsere Prozesse Wasser entziehen und es später wieder zuführen. Hydrologen, Geologen und Umweltexperten des Kantons Aargau haben diese Testversuche begleitet. Damit haben wir auch gleich die Grundlage für den kantonalen Konzessionsantrag für die Nutzung des Grundwassers geschaffen.

Wie sehen diese Grundwasserbrunnen aus?

Der Brunnen an sich ist vom Prinzip her nichts anderes als ein tiefes Loch, das bis zum Grundwasserspiegel reicht. Mit einer Pumpe saugen wir das Wasser an die Oberfläche, bevor es in die Leitungen zur energetischen Verwertung gelangt und zirkuliert. In der sogenannten Brunnenstube wird dieser Vorgang überwacht. Die Stube ist eine Art grosses Zimmer mit vielen Armaturen, Steuerungstools und Leitungsanschlüssen. Sie korrespondiert permanent mit der Leitzentrale und deren Maschinen. So wird genau die richtige Menge Wasser entnommen und am Ende des Prozesses wieder in den Boden gepumpt. Auf dem Boveri-Areal, wo derzeit neue Parkplätze entstehen, haben wir bereits zwei Grundwasserbrunnen inklusive unterirdischer Stuben gebaut.

Wie aufwendig sind all diese Bauarbeiten?

Sehr aufwendig. Grabenarbeiten beispielsweise bedeuten oft Lärm, Staub und Verkehrsbehinderungen. Aber auch das gehört nun mal zur angestrebten Energiewende. Mit der jetzigen Bauphase und den Leitungen, die wir verlegen, bewältigen wir rund dreissig bis vierzig  Prozent des geplanten Vollausbaus. Und zwar mit der Vision, dass wir auch in zwanzig oder dreissig Jahren noch die benötigten Energiemengen liefern können. Die aktuelle Etappe ist also absolut wegweisend.

Wie kommen Sie mit dem Verlegen der Leitungen voran?

Das sind Arbeiten, die viel Geduld erfordern und Schritt für Schritt vorwärts gehen. Die Strecke von der Energiezentrale Baden Nord bis zur Kronengasse ist etwa einen Kilometer lang. Die Bauarbeiter verlegen gleichzeitig fünf Leitungen – je zwei für den Transport der Wärme, je zwei für die Kälte und eine für den Transport des Grundwassers. Wenn es die Situation erlaubt, sind die zu verlegenden Rohre bis zu zehn Meter lang, oft aber einiges kürzer. Der Prozess ist dabei immer derselbe: Boden aufspitzen, graben, Rohre verlegen und verschweissen. Danach muss getestet werden, ob die Verbindungen dicht sind. Bevor wir die Gräben wieder zuschütten, installieren wir noch die Leckage-Überwachung. Das ist ein System, das mögliche lecke Stellen und deren Standort erkennt und meldet. Das oberste Ziel ist natürlich, saubere Arbeit zu leisten. Gelingt uns das, halten die Leitungen bis zu hundert Jahre.

Wie fällt das bisherige Feedback der Bevölkerung aus?

Grundsätzlich sind die Rückmeldungen positiv. Wir versuchen stets, die Anwohner der Baustellen gut über die Ausbauschritte zu informieren und sie von einem Anschluss an die Verbünde zu begeistern. Viele machen mit und werden ihre Öl- oder Gasheizung durch Fernwärme ersetzen. Die ersten Anschlüsse an die Gebäude wurden übrigens bereits realisiert.

Wie lange dauert dieser Ausbauschritt und welche Etappe folgt danach?

Läuft alles nach Plan, dauert diese erste Ausbauetappe etwa zwei Jahre. Ab Mitte 2023 fliesst das erste Mal Wärme und Kälte durch diese Leitungen aus den neuen Zentralen zu den Kunden. In der nächsten Phase erweitern wir den Energieverbund durch die Altstadt und überqueren dabei auch die Limmat. Um bauliche Synergien zu nutzen, sind wir vorausschauend bei allen grossen städtebaulichen Projekten involviert. Das ist wichtig, um die aufwändigen Infrastrukturen für die Energiewende möglichst effizient und kostengünstig zu realisieren. 

Worin besteht der Lerneffekt bei solch grossen Vorhaben?

Ein Projekt zu initiieren, ist immer eine grosse Sache. Allein bis gewisse Abklärungen getroffen sind und das Projekt entwickelt ist, vergeht einiges an Zeit. Aber wir haben inzwischen das nötige Know-how – nicht nur, um die Realisierung unserer Projekte gezielt vorwärtszutreiben, sondern auch für den optimalen Betrieb der Anlagen. Mit unseren Systemen arbeiten wir effizient und verhindern grössere Energieverluste. Das hat bestimmt auch mit den Erfahrungen und den Lernprozessen aus den letzten Jahren zu tun.