23.11.2022 

Visualisierung der CO2-Verflüssigungsanlage in Nesselnbach

Mit Ihrer CO2-Verflüssigungsanlage leisten Sie Pionierarbeit: In der Schweiz wurde bisher kein vergleichbares Projekt bei einer Biogas-Aufbereitungsanlage umgesetzt. Warum haben sich die RWB und die Recycling Energie AG dennoch entschieden, die Anlage gemeinsam zu realisieren?

Philippe Lehmann: Bei unserer Biogas-Aufbereitungsanlage in Nesselnbach machten wir uns schon seit Längerem Gedanken darüber, wie wir das abgespaltene CO2 nutzen und so die Klimabilanz weiter verbessern können. Dabei stiessen wir auf das Thema der CO2-Verflüssigung. Schnell merkten wir: Technisch funktioniert das. Die viel grössere Herausforderung war die Wirtschaftlichkeit. Es brauchte eine Menge Entwicklungsarbeit, um eine Lösung zu finden, die technisch, ökologisch und wirtschaftlich Sinn macht.

Wie ist es Ihnen gelungen, ein wirtschaftliches Geschäftsmodell zu entwickeln?
Erstens haben wir mit der Messer Schweiz AG aus Lenzburg die ideale Abnehmerin gefunden. Das Industriegase-Unternehmen kauft uns das verflüssigte CO2 ab und verkauft es dann auf dem nationalen CO2-Markt weiter. Zweitens wird das Projekt durch die Stiftung Klimaschutz und CO₂-Kompensation (KliK) unterstützt. Diese garantiert uns eine Abnahme der Kompensationsbescheinigungen für eine feste Laufzeit zu einem fixen Preis.


Warum gilt dieses Verfahren als CO2-Vermeidung?
Weil wir damit fossiles CO2 ersetzen. Die Messer Schweiz AG müsste die von uns bezogene Menge an flüssigem CO2 sonst anderweitig beschaffen, wobei solches importiertes CO2 zum grossen Teil aus fossilen Quellen stammt. Das Bundesamt für Umwelt prüfte zuerst genau, ob unser Projekt alle Kriterien für Kompensationsbescheinigungen erfüllt und wir den Nachweis zur CO2-Vermeidung wirklich erbringen können. Erst danach erhielten wir die Zusage für die Förderung durch die Stiftung KliK.

Werden CO2-Verflüssigungsanlagen in Serie produziert? Oder wurde die Anlage für Sie massgeschneidert?
Für die einzelnen Prozessschritte gibt es Standardelemente. Doch die Integration ins Gesamtsystem erfolgt massgeschneidert. Das hiess für uns: Wir konnten zu Beginn des Projekts keine vergleichbare Anlage anschauen. Vieles musste für uns entwickelt werden. Das zeigt sich bei der Projektdauer und den Kosten.


Welche Hürden hatten Sie als Pionier zu meistern?
Bei einem solchen Projekt spielt die Flüssiggas-Analytik eine wichtige Rolle ­– für uns als Energieversorgerin in dieser Tiefe ein völlig neues Feld. Das hergestellte flüssige CO2 muss genau vorgegebene Eigenschaften erfüllen und von gleichbleibender Qualität sein. Auch nach der Inbetriebnahme werden wir die Anlage laufend optimieren. Als zusätzliche Hürde waren wir von der Lieferkettenproblematik betroffen. Das Gebäude, in das die Kernanlage in der Grösse eines Schiffscontainers integriert wurde, ist ein Stahlbau. Lange war nicht klar, ob der Stahl dafür überhaupt geliefert wird. Auch bei anderen Komponenten bestand Ungewissheit. Es blieb uns nichts anderes übrig, als in der Planung flexibel zu sein.


Was empfehlen Sie anderen Stadtwerken, die ebenfalls den Bau einer solchen Anlage in Betracht ziehen?
Zentral für ein solches Projekt ist der Business Case. Darum sollten gleich zu Beginn mögliche Abnehmer des CO2 evaluiert und kontaktiert werden. So lassen sich die Einnahmen durch den Verkauf des CO2 abschätzen. Und im besten Fall verfügen die Partner erst noch über wertvolles Fachwissen rund um die Gas-Analytik. Weiter empfiehlt es sich, die Eignung des Projekts auf Ausstellung von Kompensationsbescheinigungen frühzeitig beim Bundesamt für Umwelt prüfen zu lassen. Denn diese Eignung ist ebenfalls entscheidend für den Business Case. Technisch gesehen gibt es am Anfang keine grösseren Hürden zu meistern. Wichtig ist, die Anlage bestmöglich auf die Situation vor Ort abzustimmen. Diese Entwicklung braucht Zeit. Es handelt sich also um ein langwieriges, aber durchaus realisierbares Projekt.


Quelle: Swisspower AG

Philippe Lehmann, Geschäftsführer CO2 Energie AG


Philippe Lehmann
Geschäftsführer CO2 Energie AG

So funktioniert die CO2-Verflüssigungsanlage

Bisher ist bei der Biogas-Aufbereitungsanlage der RWB in Nesselnbach das abgespaltene CO2 in die Atmosphäre abgegeben worden. Nun gelangt es mittels einer Leitung in die neue Verflüssigungsanlage. Dort wird es durch mehrere Teilschritte gereinigt, gefiltert und unter starkem Druck entwässert. Anschliessend kühlt die Anlage das fast reine CO2 auf etwa -24 °C herunter, sodass es sich verflüssigt und sich bis zum Abtransport in grossen Tanks speichern lässt. Mit der neuen Anlage kann die CO2 Energie AG rund 90 Prozent des anfallenden CO2 auffangen – jährlich bis zu 3000 Tonnen.

 
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