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06.06.2023
«Das Ganze gleicht optisch einer riesigen Tankstelle», beschreibt Philippe Lehmann, Geschäftsführer der eigens gegründeten CO2 Energie AG, die CO2-Verflüssigungsanlage. «Vor allem die zwölf Meter hohen Lagertanks stechen ins Auge.» Es handelt sich dabei durchaus um ein Pionierprojekt, um die europaweit erste Anlage dieser Art mit direktem Anschluss an die Biogasaufbereitung. «Die Realisierung war schon eine grosse Herausforderung. Gemeinsam mit dem Hersteller mussten wir Lösungen entwickeln, die es standardmässig noch gar nicht gibt.» Philippe Lehmann ist zufrieden mit dem Resultat: Einer Anlage, die jährlich bis zu 4 000 Tonnen flüssiges CO2 in Lebensmittelqualität produziert. «Wir haben mit dem Projekt einen grossen Schritt in eine klimafreundlichere Energiezukunft der RWB gemacht.»
RWB Biogasaufbereitungs-Anlage Nesselnbach
Prozesstechnisch geht es um Folgendes: Die RWB veredelt auf dem Areal der Recycling Energie AG das dort produzierte Biogas, um es ins eigene Gasnetz einspeisen zu können. Bei diesem Verarbeitungsschritt wird dem Roh-Biogas ein grosser Anteil CO2 entnommen. Dieses Kohlenstoffdioxid gelangt nun nicht mehr in die Atmosphäre, sondern wird der Verflüssigungsanlage zugeleitet. Dort wird es gereinigt, gefiltert sowie entwässert und danach auf etwa minus 24 Grad heruntergekühlt, wobei es sich verflüssigt. Im Anschluss wird es in den Lagertanks gespeichert und mehrmals pro Woche vom Industriegase-Unternehmen Messer AG Schweiz abgeholt und auf dem CO2-Markt verkauft.
Hans Michael Kellner, Geschäftsführer der Messer Schweiz AG in Lenzburg, erklärt im Anschluss, was danach mit dem Kohlenstoffdioxid geschieht.
So funktioniert die CO2-Verflüssigungsanlage
Das gesamte Aufbereitungs- und Verflüssigungsverfahren lässt sich in fünf Teilschritte unterteilen: den Gaseintritt, die Druckerhöhung, die Gasreinigung, die Verflüssigung und die Lagerung. Die einzelnen Teilprozesse funktionieren wie folgt.
Durch eine zirka fünf Meter lange Leitung wird das Rohgas in die neue Anlage geleitet. Dort gelangt es erst in einen Zwischenspeicher, den Gasbuffer, wo das Kohlendioxid von den vorgelagerten Anlagenteilen entkoppelt wird. Hier werden Druckschwankungen ausgeglichen, was für die weitere Verarbeitung im Verdichter wichtig ist.
Im mehrstufigen Verdichter wird das CO2 auf den Betriebsdruck von 18 bar komprimiert. Dadurch wird das Kohlendioxid erst erwärmt und anschliessend wieder heruntergekühlt. Nach beiden Verdichtungsstufen fällt Kondensat an, das über einen Abscheider vom Gasstrom getrennt wird. So werden beispielsweise Aerosole wie Ölrückstände absorbiert und der optimale Betrieb der weiteren Komponenten sichergestellt.
Nun folgt die Feinreinigung des CO2 mittels Aktivkohlefilter. Dabei werden sämtliche Geruchs- und Geschmackstoffe entfernt. Weiter wird dem Produkt durch zwei Adsorptionstrockner und mit Hilfe eines speziellen Gels die Feuchtigkeit entzogen – dies bei einem Taupunkt von minus 60 Grad. Um besonders hartnäckige Verunreinigungen zu entfernen, kommt zusätzlich ein sogenannter Direct Contact Cooler zum Einsatz, der effektiver wirkt als ein Aktivkohlefilter. Hier kommt bereits flüssiges mit gasförmigem CO2 in Kontakt. Bei diesem Vorgang kühlt sich das gasförmige Material stark ab, übriggebliebene Verunreinigungen kondensieren und werden aus dem System abgeführt.
Im letzten Prozessschritt wird das Gas bis unter den Kondensationspunkt, der bei minus 24 Grad liegt, heruntergekühlt. Das CO2 wird dadurch flüssig, andere Stoffe bleiben gasförmig und können dadurch wiederum entfernt werden. Restliche Verunreinigungen werden durch ein weiteres Verfahren, eine sogenannte Stripper-Kolonne, eliminiert. Am Boden dieser Kolonne befindet sich nun jenes flüssige CO2, dass die höchste Qualität aufweist. Dieses wird abgezogen und in einen Lagertank gepumpt.
Das gereinigte und flüssige Kohlenstoffdioxid wird bei einem Druck von etwa 18 bar und einer Temperatur von minus 24 Grad gelagert. Dank dem flüssigen Zustand lässt es sich leicht in Tanklastwagen verladen und transportieren. Einem Einsatz in Industrieprozessen, in der Medizinaltechnik oder gar in der Lebensmittelindustrie steht nun – je nach Reinheit und Qualität – nichts mehr im Wege.
«Die Industrie kann CO2 gut gebrauchen»
Herr Kellner, wie hat man sich den CO2-Markt vorzustellen?
Für uns ist CO2 einfach ein Handelsgas. Die Industriegasbranche beschafft es je nach Einsatzzweck aus unterschiedlichen Quellen: Für reinstes CO2, das in der Lebensmittelbranche zum Einsatz kommt, werden bis zu 150 Franken pro Tonne bezahlt. In Zeiten von Engpässen noch darüber.
Wofür wird das flüssige CO2verwendet, das in Nesselnbach produziert wird?
Die Verflüssigung erfolgt lediglich, um die Dichte und damit die Transportkapazität zu erhöhen. Die Industrie kann CO2 gut gebrauchen – in der Lebensmittelherstellung, im Bausektor oder auch in Gewächshäusern. Die Silo-Begasung im Futtermittelbereich ist ein weiterer Anwendungsfall. Man könnte das natürlich auch mit Stickstoff machen, doch hat CO2 zusätzlich zur Sauerstoffverdrängung eine toxische Wirkung auf unerwünschte Käfer, Motten und andere Insekten.
Welchen Bedarf an CO2 hat die Lebensmittelbranche?
Dazu zählt unter anderem die Herstellung von Getränken wie beispielsweise Mineralwasser, Bier oder Cola. In der Lebensmittelindustrie sind die Anforderungen an die Reinheit des Gases am höchsten, aber wir richten uns sowieso immer auf maximale Reinheit aus. Verschiedene Qualitäten bereit zu halten, würde sich nicht rechnen. Der Unterschied wird bei der Qualitätskontrolle gemacht.
Wie beurteilen Sie die CO2-Produktion der CO2 Energie AG?
Es gibt beim CO2 mehr Angebot als Nachfrage. Man muss dabei jedoch wissen, dass wegen der hohen Gaspreise etwa die Düngemittelhersteller ihre Produktion gedrosselt haben. Das hat direkte Folgen für Brauereien, Mineralquellen, Gemüsebauern, Händler und Schlachthöfe. Ihnen allen fehlt kurzfristig CO2. Das ist jetzt eine Chance, welche die CO2 Energie AG ergriffen hat. Ihr Vorteil: Die Produktion erfolgt auf erneuerbarer statt auf fossiler Basis, und bereits das Roh-Biogas weist eine hohe Konzentration an CO2 auf. Deswegen kann die Anlage kleiner dimensioniert werden. Das heisst auch: Die Investition ist geringer, die Amortisationsdauer kürzer – und das CO2 lässt sich günstiger produzieren. Hier sehen wir ein Beispiel, wie wirtschaftlicher Umweltschutz betrieben werden kann. Der CO2-Preis kann so in Zukunft für industrielle Verbraucher deutlich sinken.
Die Messer Schweiz AG ist ein führendes Industriegase-Unternehmen in der Schweiz und liefert seit über 100 Jahren Industrie-, Medizinal-, Pharma- und Lebensmittelgase an Firmen, Spitäler und Forschungsinstitute. Dazu gehören Sauerstoff, Stickstoff, Argon, Kohlendioxid, Wasserstoff, Helium und Gasgemische. Die Messer Schweiz AG beschäftigt über 100 Mitarbeiter, ist stark verankert in der Region Lenzburg und wächst kontinuierlich in der ganzen Schweiz.